- Green Lifestyle
Das bisschen Grün.
Dampfender Kaffee vor leicht blauem Winterhimmel. Ich sitze im Garten. Wärme mir die Hände an der Tasse, nippe dran und freue mich. Auch wenn es hier gerade eher graubraun ist – da drin steckt so viel Leben und Lebensqualität, der Garten ist Gold wert. Für mich. Nicht unbedingt für Stadtplaner.
Kristin Oldenburg
Bäume statt Wohnungen?
Eine Frage, die sich nicht einfach beantworten lässt, die ich nicht einfach beantworten kann. Es werden Wohnungen gebraucht, ja. Aber: Ohne unversiegelte Grünflächen, ohne Schatten spendende Bäume, ohne Blumen, Vögel und Tiere ist die Stadt eine Betonwüste, die immer mehr überhitzt, überflutet, stinkt und staubt. Wer will dann da noch leben? Oder arbeiten? Oder flanieren und shoppen? Eben.
Völlig klar, dass sich Stadtplaner und Immobilien-Entwickler von Kosten-Nutzen-Vergleichen, von Rendite und ökonomischen Kennzahlen leiten lassen. Und weil diese Werte schwarz auf weiß in der Excel-Tabelle stehen, sich aber emotionale, kulturelle und soziale Mehrwerte von Parks & Co. nicht so ohne Weiteres einpreisen lassen, hat man 2022 in einer größeren Studie versucht, die wahren Werte von Stadtgrün zu ermitteln. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin hat dazu ziemlich spannende Ergebnisse herausgegeben.
Was ist dein Park wert?
Hättet ihr gedacht, dass der Volkspark Hasenheide in Berlin mit seinen 48,9ha Grün einen Nutzen hat, der ca. 3,4 Millionen € im Jahr (!) entspricht?*
Hier die Zahlen dazu:
- Wert als Erholungsraum und Treffpunkt (abgeleitet aus einer repäsentativen Befragung / einem Choice-Experiment): 3.200.000€
- Reduktion von 190t Treibhausgasen, Vermeidung von Klimawandelfolgekosten: 33.000€
- Aufnahme von 4,5 Millionen Litern Starkregen: Entlastung für Kanalisation und Hochwasserschutz: 170.000€
- Filterung von 2.000kg Schadstoffen aus der Luft, Vermeidung von Gesundheitsfolgen: 20.000€
(Mehr Infos dazu findet ihr beim IÖW.)
Nicht eingepreist ist der Wert des Lebensraums für Insekten, Tiere, Pflanzen. Und man könnte argumentieren, als Baugrund wäre der Park viel mehr wert (fragt sich, für wen?) und mit der Bebauung von Wohnungen entstünde eine weitere, große Wertschöpfung. Fragt sich auch hier: für wen? Sicherlich nicht für das Gemeinwohl.
Stadtsalat.
Parks und Gärten können also sehr viel mehr, als nur für Erholung zu sorgen. Sie filtern die Luft. Sie kühlen. Sie fangen Wasser auf und mildern Starkregen ab. Und manchmal, wie in Kleingartensiedlungen oder Urban-Gardening-Projekten, ernähren sie sogar die Bevölkerung. Auch hierzu gibt es sehr eindrucksvolle Zahlen.
„Auf Basis der durchschnittlichen Ernteerträge (5,45 kg/m²) und der ermittelten Anbaufläche wurde berechnet, dass die urbanen Gärtner*innen in Berlin 7,6 Mio. kg und in Stuttgart 4,4 Mio. kg Gemüse, Kräuter und Kartoffeln während der Gartensaison ernten. Bei einem statistischen Pro-Kopf-Verbrauch von frischem Gemüse von etwa 150 kg pro Jahr können mit der Ernte aus den Berliner urbanen Gärten ca. 50.000 Menschen für ein Jahr mit frischem Gemüse versorgt werden. In Stuttgart sind es ca. 30.000 Personen.“*
Stellt man sich dann noch vor, was an Transportkosten und Müll dadurch entfällt – nicht schlecht für so ein bisschen Grün.
Bleibt die Wohnungsnot. Bleiben Infrastrukturverbesserungen usw. Wie kann man das hinbekommen – ohne Betonwüsten? Ich denke, es gibt da nicht DIE Lösung. Vertikale Gärten und Fassadenbegrünung können das Mikroklima in Quartieren verbessern. Die Umnutzung von Gewerbeimmobilien in Wohnungen kann ebenfalls eine Lösung sein (übrigens stehen allein in Hamburg rund 600.000qm Bürofläche leer**). Andere Wohnungsformen wie Mehrgenerationenhäuser, Alters-WGs etc. können den Bedarf verringern, weil Bestandswohnungen frei werden. Oder vielleicht ist es auch „nur“ die Einsicht, dass wir pro Kopf nicht durchschnittlich eine Wohnfläche von ca. 48qm brauchen.
Und: Dass wir selbst auf dem Balkon oder im Garten mit den richtigen Pflanzen etwas Gutes bewirken können (neben dem Ernten leckerer Tomaten). Schaut doch mal hier in den „Green-Lifestyle“-Artikel über Pflanzen, die mit Trockenheit gut umgehen können: „Über Schattenbäume, Eisenkraut und Mulch“. Der nächste Sommer kommt bestimmt.
Was ist euch euer Park, der Kleingarten, die Baumscheibe an der Ecke wert? Wie steht ihr zu „Bäume statt Wohnungen“? Schreibt uns gern in den Kommentaren, wir freuen uns darauf.
Quellen:
*www.ioew.de/projekt/gartenleistungen
**www.abendblatt.de