Ist Bio drin, wo Bio draufsteht?

Eigentlich haben Verbraucher eine große Macht: Sie können Marken hypen, sie können Produkte boykottieren. Sie sind es, die über Top oder Flop entscheiden. Aber warum kaufen dann so viele Leute keine Bioprodukte, obwohl sie wissen, dass sich damit Umwelt & Co. regenerieren können? Weil sie den Biosiegeln nicht vertrauen?

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Babette Lichtenford

foto: michael bernhardi

Information. Kommunikation. Marketing. Greenwashing?

Die Grenzen zwischen Vermarktung und Greenwashing in der Darstellung von Produktvorteilen sind fließend. Und obwohl die EU die Richtlinien dazu verschärft hat („Gesetzentwurf gegen Greenwashing“), ist es immer noch schwierig, zu erkennen, ob „Weidemilch“ wirklich von glücklichen Kühen stammt, die fröhlich auf der grünen Wiese grasen. Was sie übrigens nicht bzw. nur zu einem geringen Teil tun (siehe Infokasten). Aber das nur nebenbei.

Will man wirklich sicher sein, dass ein Produkt aus geprüftem Bioanbau kommt, sollte es mindestens das sogenannte EU-Biosiegel auf der Packung haben. Das garantiert: „Gentechnikfreiheit, artgerechtere Tierhaltung und den Verzicht von organisch-synthetischen Pflanzenschutz- und chemisch-synthetischen Düngemitteln. Auch die zuständige Öko-Kontrollstelle muss angegeben sein.“*

Will man mehr – was toll wäre – dann kommt man an den Siegeln der deutschen Bio-Anbauverbände** – es sind immerhin 9*** – nicht vorbei. Sie stehen grundsätzlich für deutlich strengere Richtlinien und Kontrollen. Demeter, Bioland und Naturland sind dabei die bekanntesten und auch wichtigsten. Die Unterschiede zwischen diesen drei Zertifizierungen sind allerdings nicht soooo groß.

Das Auffälligste ist, dass bei Demeter Tierhaltung verpflichtend ist, da mit dem Mist die Felder gedüngt werden. Außerdem wird dieser Naturdünger mit biologisch-dynamischen Präparaten aus Kräutern, Mineralien und Kuhmist angereichert. Eine Methode, die auf den anthroposophischen Gedanken von Rudolf Steiner beruht, was immer wieder auch kontrovers diskutiert wird. (Mehr dazu findet ihr in diesem Blogbeitrag „Demeter – esoterisch oder sinnvoll?“.)

Durch eine (sehr lange) Langzeitstudie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau ist inzwischen gesichert, dass die Bodenqualität beim Demeter-Anbau am besten abschneidet, dicht gefolgt von Naturland und Bioland. Und dass Bioanbau, insgesamt betrachtet, 30–50% weniger Energie verbraucht als konventionelle Landwirtschaft (Stichwort Stickstoffdüngung).

Der Unterschied zwischen Bioland und Naturland?

Ersterer ist hier der größte Anbauverband, aber nur in Deutschland (und Südtirol) aktiv. Naturland agiert dagegen weltweit. Sonst haben beide relativ ähnliche Kriterien. Ganz genau findet man alle drei im Vergleich zum EU-Bio-Siegel für alle Kategorien aufgelistet hier: „Öko-Verbandsrichtlinien und EU-Bio im Vergleich“. Ist zwar ein bisschen mühsam, das alles anzuschauen, aber wenn man es ganz genau wissen will, ist dies das richtige Dokument.

Übrigens: Solche Begriffe wie „nachhaltig“, „kontrolliert“, „kontrollierter Anbau“, „umweltverträglich“, „umweltschonend“, „integrierter Anbau bzw. Pflanzenbau“ sind reines Greenwashing und haben nichts mit den seit 1993 gesetzlich geschützten Begriffen „bio“ oder „öko“ zu tun.

Und was ist mit den anderen Biosiegeln?

Supermärkte und Discounter haben in den letzten Jahren ihre „Bio-Eigenmarken“ massiv ausgebaut. Wenn solche Produkte aber nicht zumindest auch das EU-Biosiegel (oder eins der Anbauverbände) tragen, sind sie NICHT bio. So einfach ist das.

Will man also auf Nummer sicher gehen – und zudem mit seinem Einkauf etwas bewirken –, dann sind die Produkte mit den Siegeln der Anbauverbände (Bioland, Naturland, Demeter) die richtige Wahl. Eigentlich auch ganz einfach.

Noch ein Übrigens: Fair ist nicht Bio. Fairtrade steht (mit all seinen Formaten für unterschiedliche Produktkategorien) für bestimmte soziale Standards. Nur in Kombination mit einem zusätzlichen Biosiegel ist das jeweilige Produkt dann auch bio. Lediglich bei dem Siegel Naturland-Fair, dass es seit 2010 gibt, werden beide Bereiche auf einmal abgedeckt.

Bleibt das Thema „Regional“.

Vor Kurzem hieß es noch, „regional“ wäre das neue „Bio“, so hip wurde der Gedanke, durch Einsparung von Transporten auch CO2 zu sparen und damit etwas gegen den Klimawandel zu tun. Das wäre ja auch grundsätzlich richtig, wenn denn Transporte die großen Treibhausgasverursacher wären. Sind sie aber nicht zwingend, wie eine Studie, die im Magazin Science veröffentlicht wurde, zeigt. Hier wurden 29 Nahrungsmittel basierend auf den Daten von 119 Ländern ausgewertet, um zu verstehen, wie die CO2-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette verteilt sind.

Das Ergebnis: Es geht um das, WAS man isst. Nicht so sehr darum, WO es herkommt. Hier der Link zu einer recht beeindruckenden Grafik: „Woher kommen die Emissionen aus unseren Lebensmitteln?“. Aber natürlich ist es vernünftiger, einen Apfel aus dem alten Land zu kaufen, wenn man in Norddeutschland lebt. In München sieht das schon wieder ganz anders aus – da wäre der Apfel aus Südtirol wohl sinnvoller. Hier darf man sich also getrost auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen. Es gibt zwar ein Siegel – „Das Regionalfenster“ – aber das ist freiwillig und basiert nicht auf Richtlinien aus Deutschland oder der EU.

Und wie ist das mit Kaffee?

Obwohl Kaffee immer aus Übersee kommt, ist der Anbau – und nicht der Transport – ausschlaggebend für seinen CO2-Fußabdruck. Denn 20–50% der Emissionen entstehen allein dort. Und das bedeutet: Bioanbau unter Schattenbäumen, ohne chemische Dünger, ohne Pestizide kann die Hälfte dieser Emissionen einsparen, im Vergleich zu konventionell angebautem Kaffee.**** Von den positiven Effekten hinsichtlich Artenvielfalt, Wassereinsparung und Bodenqualität mal ganz abgesehen.

Darum sind alle Mount-Hagen-Kaffees, egal woher sie kommen (geröstet werden sie übrigens in Hamburg), immer Naturland- oder Demeter-zertifiziert. Und haben auch das Fairtrade-Siegel – 100% bio, 100% fair eben.

Der zweite großen Batzen des CO2-Footprints ist interessanterweise die Kaffeezubereitung. Als Latte macchiato to go im Plastikbecher, der – kaltgeworden – weggeworfen wird, ist er natürlich die Pest. Aber das macht ja keiner. Schließlich ist Kaffee – insbesondere mit solchen unverschämt leckeren Nuss-Schoko-Aromen wie bei unserem Demeter-Espresso aus Peru – ein Luxus.

Weidemilch

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat am 7. Februar 2017 entschieden, dass die Bezeichnung „Weidemilch“ dann nicht irreführend ist, wenn die Kühe an 120 Tagen im Jahr für mindestens 6 Stunden auf der Weide stehen. Das heißt: Nach der 120/6-Regelung würden die Milchkühe im ungünstigsten Fall an den restlichen 245 Tagen im Jahr nicht auf der Weide stehen. Die Milch wird aber das ganze Jahr über als Weidemilch verkauft. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. (Quelle: Verbraucherzentrale)