Wie fair ist Fair Trade? Teil 1.

„Fairer Handel“ – das klingt gut, klingt verantwortungsvoll und beruhigt das Gewissen, wenn man so wie ich wieder mal sehr tief in das Schokoladenregal gegriffen hat. Was aber wirklich dahintersteckt, wissen die wenigsten – zumindest war das meine Erkenntnis beim Mädelsabend und dem Vertilgen besagter Schokolade.

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Barbara Beiertz

foto: karsten suhr

„Fair“ ist wie „Nachhaltigkeit“: schwammig und nicht geschützt.

Man glaubt es kaum, aber es ist wirklich so: „Fairer Handel“ ist rechtlich KEIN geschützter Begriff (Nachhaltigkeit übrigens auch nicht). „Bio“ und „öko“ dagegen schon – und darum auch mit klar definierten Kriterien verbunden. (Mehr dazu findet ihr hier: „Ist Bio drin, wo Bio draufsteht?“. ) Das bedeutet aber auch: Nicht überall, wo „fair“ draufsteht, ist auch ein fairer Preis an den Produzenten gezahlt worden. Denn das ist die eigentliche Aufgabe des fairen Handels.

Bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen schaffen.

Fair Trade (Fairer Handel) will prinzipiell eine gerechte(re) Handelsstruktur für Farmer, Kleinbauern und ihre Familien in den Ländern des globalen Südens aufbauen. Das heißt, die Farmer bekommen einen garantierten Mindestpreis für ihr Produkt (Kakao, Kaffee und Bananen sind übrigens die meistgehandelten), der über den Weltmarktpreisen liegt und sie von den starken Schwankungen unabhängig macht. Damit sie mit dem Erlös sich und ihre Familien ernähren können, Kinder- und Sklavenarbeit verhindert werden.

Da Fair Trade aber wie gesagt kein geschützter Begriff mit präzise definierten Vorgaben ist, haben die unterschiedlichen Organisationen mit ihren Siegeln auch unterschiedliche Bestimmungen. Sie basieren auf den 10 Prinzipien des fairen Handels von der World Fair Trade Organization (WFTO)* – oder sollten es zumindest. Wobei man sich schon die Frage erlauben darf, wie es Discounter wohl schaffen, bei ihren Dumpingpreisen faire Entgelte an die Produzenten zu zahlen.

Was bedeuten die verschiedenen Siegel?

Es gibt Fair-Trade-Siegel wie Sand am mehr (ja, auch von den diversen bekannten Handelsketten). Um sich in diesem Dschungel zurechtzufinden und fundierte Kaufentscheidungen treffen zu können, muss man wirklich ein bisschen recherchieren. Das haben wir hier für euch getan und zusammengefasst.

Der erste sehr feine, aber trotzdem sehr große Unterschied besteht zwischen „Fair Trade“ und „Fairtrade“. Fair Trade ist alles, ist die Kategorie und nicht rechtlich geschützt. Fairtrade (zusammengeschrieben, mit kleinem t) ist das wahrscheinlich bekannteste Siegel weltweit und laut Stiftung Warentest** neben zwei anderen Zertifizierungen (Naturland-Fair und Rapunzel Hand-in-Hand) auf jeden Fall vertrauenswürdig.

Schauen wir uns genauer an, welche Kriterien dahinterstecken.

Fairtrade :

Fairtrade ist ein eingetragenes Markenzeichen. In Deutschland steht der Verein TransFair e.V. hinter dem Siegel. Er wird u.a. von der Dachorganisation Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) getragen, die die Standards für das Siegel entwickelt. Unternehmen, die diese Kriterien einhalten, können ihre Produkte zertifizieren lassen und so das Fairtrade-Siegel bekommen. Alle 3 Jahre gibt es Kontrollen, um das Siegel zu erneuern. Aber auch unangekündigte Kontrollen werden durchgeführt.

Die wichtigsten Fairtrade-Kriterien:

Soziales:

  • Zwangs- und Kinderarbeit sowie Diskriminierung sind verboten.
  • Tests, die Diskriminierung hervorrufen könnten (z.B. HIV-Tests, Schwangerschaftstests) sind ebenfalls verboten.
  • Angestellte sollen von den Arbeitgebern über Arbeitsrechte unterrichtet werden und Arbeitsverträge bekommen.

 

Ökonomische Bestimmungen:

  • Fairtrade bezahlt Mindestpreise.
    „Der Fairtrade-Mindestpreis ist als Sicherheitsnetz zu verstehen, soll die durchschnittlichen Produktionskosten für eine nachhaltige Produktion decken und kann auf der Website von Fairtrade International eingesehen werden. Liegt der jeweilige (Welt)Marktpreis darüber, muss der höhere Marktpreis bezahlt werden.“***
  • Es wird zusätzlich eine Fairtrade-Prämie ausgeschüttet, über deren Verwendung für soziale, ökologische, ökonomische Investitionen die Bauernfamilien/Beschäftigten gemeinsam entscheiden.

 

Die ökologischen Kriterien sind relativ locker:

  • Umweltschonender Anbau wird „gefordert“.
  • Bestimmte Pestizide und Herbizide sind verboten. Ebenso gentechnisch verändertes Saatgut.
  • Bioanbau bekommt einen „Bioaufschlag“.

 

Außerdem:

  • Fairtrade-Produkte sind physisch rückverfolgbar (Stichwort: Lieferkettengesetz). Was aber nur für „pure“ Produkte wie z.B. Kaffee, Bananen und Reis gilt.
  • Kakao, Zucker, Fruchtsaft, Tee und Mischprodukte, wie z.B. Schokolade, die mit konventionell gehandelten Produkten gemixt werden, bekommen den Vermerk „mit Mengenausgleich“. Das bedeutet, „dass Unternehmen fair gehandelte Rohstoffe bei der Verarbeitung, Lagerung oder während des Transports mit handelsüblichen Produkten vermischen dürfen. Die exakten Mengen- und Geldströme müssen sie entlang der Warenkette dokumentieren. Die unabhängige Zertifizierungsorganisation Flocert GmbH kontrolliert diese Dokumentation. Am Ende dürfen die Firmen nur so viel Ware als „Fairtrade“ kennzeichnen, wie sie Fair-Trade-Rohstoffe eingekauft haben.“****

 

Dieser „Mengenausgleich“ ist zwar ein Ansatz, um auch sehr kleinen Produzenten den Zugang zum Fairtrade-System zu ermöglichen, er ist für Otto-Normal-Verbraucher aber schwer nachvollziehbar und hat u.U. zur Folge, dass in einem als Fairtrade-mit-Mengenausgleich-zertifizierten Produkt kaum Faires steckt.**** Was einer der großen Kritikpunkte am Fairtrade-Label ist.

Naturland Fair.

Der Anbauverband Naturland steht für die (nach Demeter) strengsten Richtlinien im Bioanbau. 2010 hat man zusätzlich das Naturland-Fair-Handelssiegel eingeführt, was man aber nur bekommt, wenn man bereits das Naturland-(Bio-)Siegel hat.*****

Das heißt: Naturland Fair steht für soziale Verantwortung, faire Erzeugerpreise, langfristige Handelsbeziehungen etc. – UND für anspruchsvollen Bioanbau. (Detailinfos dazu findet ihr hier: „Naturland Fair – Kriterien und Richtlinien“.)

Rapunzels Hand-in Hand-Siegel.

Das Fair-Trade-Label des Öko-Urgesteins Rapunzel Naturkost gilt, obwohl von einem Unternehmen entwickelt und gemanagt wird, als glaubwürdig. Auch wenn es recht klein ist (nur 450 Produkte von 19 Partnerproduzenten) steht es „insgesamt für ein umfassendes und transparentes Fair-Handelsprogramm, das sowohl soziale wie ökologische Kriterien definiert und diese unabhängig prüfen lässt. Der partnerschaftliche Aspekt wird durch langfristige Lieferbeziehungen und zahlreiche Unterstützungs- und Förderungsmöglichkeiten umgesetzt. Die ökologischen Kriterien umfassen die komplette Lieferkette einschließlich der Verpackung.“******

So weit also zu den vertrauenswürdigsten Fair-Trade-Siegeln. In der nächsten Folge – „Wie fair ist Fairtrade?“ – beschäftigen wir uns mit der Fair-Trade-Kritik. Ob und wie berechtigt sie ist, welche alternativen Konzepte es gibt. Und welche Vorteile ein Bio-Fairtrade-Kaffee wie z.B. unser Single Origin aus Papua Neuguinea hat.

Probiert doch einfach mal. Das Aroma von Respekt und Sorgfalt ist phänomenal.