Die Chemex – den Hype wert? Oder nicht?

Wenn man so um die Chemex-Kaffeekaraffe herumscharwenzelt wie ich, dann ist die Erwartungshaltung an die Tasse Kaffee natürlich entsprechend groß. Also habe ich sie mir selbst zu Weihnachten geschenkt und muss sie natürlich schon mal ausprobieren.

Picture of Karsten Suhr

Karsten Suhr

foto: joshua glass on unsplash

Vorweihnachtszeit ohne DAS Kaffeegeschmackserlebnis geht ja gar nicht. Ich habe mich für die Classic-Variante entschieden, inzwischen gibt es auf der Herstellerseite eine Reihe von Modellen, doch da ich nun mal auf Klassiker stehe…

Aber fangen wir am Anfang an. Die Chemex ist eine Erfindung des Chemikers Peter Schlumbohm aus dem Jahr 1941. Sie gilt als eines der besten Produkte der Moderne und wurde 1958 in die Sammlung des Museum of Modern Arts (Moma) in New York aufgenommen. Man filtert den Kaffee damit ganz klassisch wie bei anderen Pour-overs (wie dem Porzellanfilter mit dem großen M oder dem Hario V60). Allerdings hat die Chemex ein eigenes Filterpapier aus Zellstoff, das dicker ist. Kaffeeöle und -sedimente werden deutlich stärker zurückgehalten. Man bekommt also einen sehr „sauberen“, klaren Kaffee mit gut definierter Säure und wenigen Bitterstoffen. Der Nachteil: Die Filter gibt es nur bei Chemex und sie werden natürlich nach Gebrauch weggeworfen. Aber man braucht keinen Strom, wenn man das Wasserkochen mal ausklammert. Das zum Thema Nachhaltigkeit. Jetzt zum Aufbrühen.

Cupgröße, Filterkreis, Sorgfalt.

Das sind eigentlich die wichtigsten Dinge, die man bei der Chemex beachten sollte. Fangen wir mit der Kannengröße an: Ähnlich wie bei der French Press wird der Kaffee am besten, wenn man pro Aufguss die volle Menge an Kaffee produziert (das war es aber dann auch schon mit den Ähnlichkeiten). Also habe ich mir die kleine Variante für 3 Tassen gegönnt – das ist auf jeden Fall mein Morgenpensum.

Zweiter Punkt: die Filter. Während klassische Kaffeefilter einen horizontalen Boden haben, sieht der für die Chemex aus wie eine Eistüte. Das Wasser soll so gleichmäßiger durch das Kaffeemehl laufen, was die Extraktion perfektioniert. Ich habe die vorgefalteten Filter geshoppt, die Halbmondversion, die man für die 3-Tassen-Karaffe braucht. Beim Einsetzen (Achtung, wichtig!) drauf achten, dass der Ausguss zu euch zeigt und die dreilagige Seite des Trichters ebenfalls in Richtung Ausguss zeigt.

Der Mahlgrad, die Menge Kaffeemehl im Verhältnis zur Wassermenge und die Wassertemperatur sind übrigens die gleichen wie bei anderen Handfiltern:

  • 6 bis 7g Kaffee pro 100ml Wasser
  • Wassertemperatur ca. 96°C
  • Ungefähre Brühzeit in Minuten = (ml Wasser – 100) : 100
  • Mahlgrad mittel

 
Und auch der sorgfältige Brühvorgang ist identisch:

  • Filter komplett mit warmem/heißem Wasser benetzen und ausspülen.
  • Möglichst frisch gemahlenen Kaffee in den Filter geben, glatt schütteln.
  • Der erste Schwung Wasser kommt direkt in die Mitte des Kaffeemehls, dann in sanften Spiralen das ganze Kaffeemehl bedecken.
  • Rund 30 Sekunden warten (Blooming-Phase).
  • Zweiter Aufguss spiralförmig. Immer warten, bis die Flüssigkeit vollständig abgeflossen ist.
  • Wiederholen, bis das Wasser verbraucht ist.

 
Und dann probieren:
Interessant ist, dass – obwohl eigentlich alles ist wie bei jedem anderen Pour-over – am Ende ein anderer Kaffee aus der Chemex herauskommt. Wie gesagt sehr klar, mit feinen Säuren und einer Betonung auf eher floralen Noten. Macht euch mal den Spaß und bereitet den gleichen Kaffee in der French Press zu. Ihr werdet einen ordentlichen Unterschied feststellen. Ich habe dazu unseren Arabica Crema genommen, da er eine sehr schöne dunkle Röstung hat, die perfekt für die French Press ist. Und sich komplett anders in der Chemex entwickelt. Sehr spannend.

Wer gern ein paar Tipps für die French-Press-Zubereitung hätte: Schaut doch mal hier im Kapitel Kaffeekochen: „Würzig, kräftig und ganz einfach: Kaffee aus der French Press“.

Bleibt das Reinigen der Chemex-Kanne. Laut Hersteller sind die Filter kompostierbar und biologisch abbaubar, also ab damit in den Biomüll. Die Karaffe selbst kann, darf, soll in die Spülmaschine, ohne die Holzmanschette natürlich.

Fazit: Die Chemex sieht großartig aus, was für Designfreaks wie mich ein absolutes Argument ist. Der Kaffee ist ebenfalls ein kleines Kunstwerk, wenn auch nicht die große Geschmacksoffenbarung, die ich erwartet hatte. Man braucht Muße zum Aufbrühen, was für mich persönlich ein Pluspunkt ist. Auf der anderen Seite stehen die Kosten für Karaffe und Filterpapier dagegen. Insofern ein sehr schönes Geschenk für jeden Kaffeeliebhaber. Nicht nur zu Weihnachten.