Was ist Nachhaltigkeit eigentlich? Und funktioniert sie überhaupt?

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Babette Lichtenford

foto: koolshooters von pexels

Befragt man Suchmaschinen zu „Nachhaltigkeit“, bekommt man innerhalb von 0,37 Sekunden über 358.000.000 Suchergebnisse (bei „Fußball“ sind es übrigens deutlich weniger). Vom Bundestag über Unternehmensberatungen und Wirtschaftslexika bis hin zu Verbänden aus der Industrie und aus der Landwirtschaft – alle fühlen sich bemüßigt, ihre Definition von Nachhaltigkeit zum Besten zu geben. Und so wurde aus dem Synonym für „anhaltende Wirkung“ ein ethisches Prinzip (so der Deutsche Bundestag*). Eines, dass sich nicht „…einzig auf den Umwelt- und Naturschutz (beschränkt), sondern … sich auch mit den Themenfeldern Ökologie, Ökonomie und Soziales (beschäftigt).“ Und „…eine ganzheitliche Betrachtung von gesellschaftlichen Herausforderungen einfordert. Dabei wird die Verantwortung für die heute lebenden Menschen mit der Verantwortung für (die) zukünftigen Generationen verbunden.“* So weit. So gut. Oder vielmehr: so schlecht. Denn über kaum ein anderes Thema wird so gestritten wie über Nachhaltigkeit. Die einen ordnen ihr alles unter, um die Menschheit vor dem Untergang zu retten. Die anderen betrachten sie als Form des Ökoterrorismus. Und nun?

Alles eine Frage des Gleichgewichts?

Schaut man sich die Wurzeln des Nachhaltigkeitsgedankens an, landet man in der Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts. Nachhaltigkeit bedeutete damals, immer nur so viel Holz aus dem Wald zu nehmen, wie nachwachsen konnte. Klingt sinnvoll.

Die sogenannte „Brundtland-Kommission“ der UN hat 1987 diesen Gedanken dann so weitergetragen:
„Eine Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie die Bedürfnisse der gegenwärtig lebenden Menschen befriedigt, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen infrage zu stellen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.“** Klingt auch gut. Wobei man sich natürlich fragt, was wohl die Bedürfnisse künftiger Generationen sein werden. Kinder? Ein eigenes Haus? Ein schwebendes Fahrzeug? Wohlstand?

Nachhaltigkeit ist alles – nur nicht einfach.

Lässt sich das Nachhaltigkeitsprinzip eines überschaubaren Systems – wie einem Stück Wald – so einfach auf ein sehr komplexes System wie unsere globale Gesellschaft übertragen? Eher nicht, denn in solchen dynamischen Systemen – und das ist unsere Gesellschaft nun wirklich – ist die einzige Konstante die Veränderung. Ganz gleich ob durch eine Pandemie, durch technische Innovationen, Bevölkerungswachstum, Flüchtlingsbewegungen oder Crashs von Börsen und Banken verursacht. Was wiederum zur Folge hat, dass es keine allein selig machenden Schwarz-Weiß-Lösungen geben kann.

Ein Beispiel:

Wir haben heute den strittigen Punkt, ob sich mit Bioanbau die bald 8 Milliarden Menschen auf der Erde ernähren lassen. Nach heutigem Stand – mit Lebensmittelverschwendung, Essgewohnheiten, Fleischkonsum, landwirtschaftlichen Flächen für Energiegewinnung – wird es sicherlich schwierig. Sinnvolle Lösungen und Veränderungen sind hier notwendig. Die konventionelle Landwirtschaft mit den Folgen von Überdüngung, dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, mit Wasserknappheit, Artensterben und Versteppung trägt dazu wohl nicht wirklich bei.

Mehr Infos dazu gibt es übrigens hier.

Oder nehmen wir den Einkauf regional angebauter Lebensmittel. Er kann, muss aber nicht immer der klimafreundlichste sein – es kommt auch auf die Saison z.B. der Tomaten an: So haben sie, aus Deutschland kommend, im Gewächshaus gezogen, im Winter einen CO2-Fußabdruck von 1,9kg pro 1000g. In der Sommersaison im Durchschnitt nur 0,3kg.*** Man mag sich also fragen: Warum braucht man eigentlich Tomaten oder Erdbeeren oder Himbeeren im Winter?

Nachhaltigkeit ist aber auch nicht dogmatisch. Und das ist nicht gerade bequem.

Sie bedeutet also (leider) kein einfaches „Nur-so-Geht’s“. Sondern kluges Nutzen aller Instrumente, aller Methoden, aller Technologien. Sauber gedacht, um so viele Konsequenzen wie möglich zu berücksichtigen (z.B. die seltenen Erden der Batterien von E-Autos). Flexibel eingesetzt. Und mit Respekt für die Bedürfnisse aller Beteiligten.

Das ist natürlich nicht bequem, ganz im Gegenteil. Insofern mag Nachhaltigkeit dann tatsächlich Verzicht bedeuten. Verzicht auf (böse gesagt) Denkfaulheit. Wer nachhaltig agieren will – sprich: ganzheitlich gesehen, langfristig wirksam, gesellschaftlich verantwortungsvoll – braucht erstmal Mut. Mut, die Dinge zu hinterfragen. Zu zweifeln und auch darüber zu diskutieren. Um so tatsächlich funktionierende Lösungen zu entwickeln – die Chancen, die Welt etwas besser zu machen, waren schließlich noch nie so groß.

Was meint ihr dazu? Wie seht ihr dieses Thema und was macht ihr, um „nachhaltig“ etwas zu bewirken? Oder wollt ihr das vielleicht ja gar nicht? Schreibt uns gern in den Kommentaren, wir sind sehr gespannt.

*www.bundestag.de/ausschuesse/weitere_gremien/pbne/vorstellung/was-ist-nachhaltigkeit-890694
**www.nachhaltigkeit.info/artikel/brundtland_report_563.htm
***www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/6232/dokumente/ifeu_2020_oekologische-fussabdruecke-von-lebensmitteln.pdf