Wertschätzung? Wert-Schätzung?

Draußen hupt es, dass einem die Ohren klingeln – die Bauern demonstrieren. Was beim Morgenkaffee in der Redaktion Debatten auslöste, weil wir naturgemäß eher Verständnis für Landwirte haben – einerseits. Aber andererseits überhaupt keins für solche Eskalationen. Womit die Idee zu diesem Beitrag geboren war:

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Barbara Beiertz

foto: don ricardo on unsplash

Welchen Stellenwert hat eigentlich Essen für uns?

Wenn ich höre, dass die Bauern sich über die mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit beklagen, schlagen definitiv zwei Herzen in meiner Brust. Zum einen habe ich persönlich null Wertschätzung für Massentierhaltung, Monokulturen, Güllefluten und Antibiotikaschwemmen. Die Kosten, die das verursacht, müssen von der Gesellschaft (und den nachfolgenden Generationen) aufgebracht werden. Warum sollte man das auch goutieren?

Zum anderen kann ich es sehr gut verstehen, wenn Menschen 24/7 arbeiten bzw. präsent sein müssen – Bauern haben nun mal keine 40-Stunden-Woche – für einen Stundenlohn zwischen 5€ und 20€*. Und sie dabei auch noch die Verantwortung für Tiere, Menschen, Umwelt, die Qualität ihrer Produkte usw. übernehmen (von Versicherung, Pacht, Altersvorsorge & Co. mal abgesehen).

Wenn sie dann der Meinung sind, das z. B. 50 Cent pro Liter Biomilch, die bei ihnen ankommen** (Ladenpreis: 1,25€) nicht reichen, wenn sie dann auf die Barrikaden gehen – dann wundert mich das nicht. (Übrigens wäre der Preis von 67 Cent, den die Verbände Bioland und Naturland als Orientierungspreis kürzlich definiert haben*** auch nur kostendeckend!)

Vielleicht ist „preiswert“ eben nicht günstig, sondern geizig (mit Sicherheit aber nicht „geil“, um mal einen alten Slogan aus den 2000ern zu bemühen).

Nicht so wichtig, was uns da auf den Teller kommt?

Doch. Zumindest wenn man den Statistiken glauben darf. Hier ein bisschen Zahlensalat:

„Laut einer Umfrage im Jahr 2021 gab es in der deutschsprachigen Bevölkerung rund 10,79 Millionen Personen, die der Aussage ,Ich lege Wert auf gesunde Ernährung, auch wenn es mehr kostet‘ voll und ganz zustimmten.“**** Und 2023 waren es so viele Menschen wie noch nie (24,52 Mio., ab 14 Jahren, deutschsprachig), die sich Gesundheit und Wellness einiges kosten lassen würden.

Aber: Der Anteil von Nahrungsmitteln liegt beim privaten Konsum in Deutschland trotzdem nur bei 11,5% (2022). Der weitaus größere Teil, knapp ein Viertel der Ausgaben, geht für Wohnkosten drauf, gefolgt von den Verkehrsmitteln mit 16%. Zum Vergleich: In Italien liegt der Anteil für Lebensmittel bei 14,4% und in Frankreich bei 13,3%.

Wenn man dann noch weiß, dass die Deutschen am liebsten im Supermarkt (76%) und Discounter (69%) einkaufen und der Anteil von Biolebensmitteln am Gesamtmarkt nur ca. 6%* beträgt – puuuhhh. Wunsch ist eben nicht Wirklichkeit.

Die wahren Kosten.

Was wäre eigentlich, wenn wir für unser Essen einen Preis zahlen würden, der alle Folgekosten beinhaltet, die bei der Produktion entstanden sind?

Reden wir also über „true costs“, die wahren Kosten von Lebensmitteln – inklusive ihrer Klima-, Umwelt und Sozialfolgen. Im Moment zahlen wir sie alle indirekt, z.B. durch die Folgen des Klimawandels. Würden sie eingepreist, dann müssten u.a. konventionell produzierte Produkte wie Milch, Quark, Joghurt & Co. 122% teurer sein als heute. Biomilchprodukte wären immerhin 69% teurer, allerdings würde der Preis für Biotomaten beispielsweise nur um 5% steigen. Das hat die Uni Augsburg in ihrer TCA (True Costs Analysis) ermittelt.

Dr. Tobias Gaugler vom Institut für Materials Resource Management der Universität Augsburg sagt: „Die höchsten externen Folgekosten und damit größten Fehlbepreisungen gehen mit der Produktion konventionell hergestellter Nahrungsmittel tierischen Ursprungs einher. Konventionell produzierte Fleisch- und Wurstwaren müssten auf Erzeugerebene dreimal so teuer sein, wie sie derzeit sind“. Weitere gravierende Folgen wie die gesellschaftlich-sozialen Auswirkungen von Antibiotikaresistenzen oder die ökologischen Auswirkungen des Einsatzes von Pestiziden wurden bei den Berechnungen nicht berücksichtigt.*****

Was viel kostet, ist auch viel wert.

Klar, dass solche Preise wahrscheinlich auch zu heftigen Protesten führen würden. Allerdings hätten sie aber auch zur Folge, dass nicht mehr so viele Lebensmittel verschwendet würden und die Wertschätzung für gutes Essen erheblich höher wäre. Schließlich ist es so viel mehr als Energie- und Nährstoffzufuhr, es macht Laune – ich sage nur: Schokolade.

Und vor allem Kaffee! (Bio-Kaffee natürlich)
Für uns ist er allmorgendlicher Lebensretter.
Für unsere Kaffeefarmer ist er existenziell.
Für die Natur in den Anbaugebieten (bei Bio- oder Demeter-Anbau) definitiv ein Gewinn.

Und für euch? Schreibt uns in den Kommentaren, was euch Lebensmittel und auch euer Lieblingskaffee wert sind. Wir freuen uns drauf.

Wer übrigens mehr über die positiven Effekte von Kaffee wissen möchte, hier eine kleine Linkliste dazu. Viel Spaß beim Stöbern.

www.mounthagen.de/kaffeekultur/kaffeewissen/schlafraeuber-oder-doch-nicht/
www.mounthagen.de/kaffeekultur/kaffeewissen/wie-gesund-ist-kaffee-eigentlich/
www.mounthagen.de/kaffeekultur/kaffeewissen/kaffee-am-morgen-vertreibt-kummer-und-sorgen/
www.mounthagen.de/bio-kaffees/bio-und-fair/jedes-gramm-respekt/
www.mounthagen.de/mount-hagen-und/menschen/es-gibt-sie-doch-noch-die-heile-welt/
www.mounthagen.de/bio-kaffees/herkunft-anbau/esoterisch-oder-sinnvoll/

Quellen:
*www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/subventionskuerzungen-in-der-landwirtschaft-das-verdienen-bauern-wirklich
**www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/fragen-sie-einen-landwirt/bereits-beantwortete-fragen/welcher-anteil-des-ladenpreises-kommt-beim-landwirt-an
***www.bioland-fachmagazin.de/news/detail/bio-milch-erhaelt-orientierungspreis
****www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/konsum-produkte/gruene-produkte-marktzahlen/marktdaten-bereich-ernaehrung#biolebensmittel-einbussen-in-2022
*****www.uni-augsburg.de/de/campusleben/neuigkeiten/2020/09/04/2735/
Quelle für alle anderen Zahlen: Statista