Siebträger – (k)ein Männerding?

Homeoffice – Schreibtisch im Erker, Blick auf den graubraunen, nebligen Garten und ein brodelndes Zischen im Hintergrund. Der beste aller Männer stellt mir mit den Worten „Kuck mal, die Crema“ einen kleinen Nachmittagsespresso neben die Tastatur. Ach ja, die Crema: golden, gestreift (jaja, die berühmte Tigerstreifen-Crema). Und das Tässchen duftet und schmeckt vor allem großartig.

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Barbara Beiertz

foto: james sutton on unsplash

Seit einem halben Jahr wohne ich so – das heißt, mit meinem Liebsten zusammen –, dass ich regelmäßig in den Genuss sehr leckerer Espressi und Cappuccini komme. Großer Luxus, auch wenn ich eigentlich der Caffinetta-Kaffeekocher bin, aber ich beschwere mich ja gar nicht.

Allerdings ist die enorme Beachtung, die dieses chromblitzende, aufmerksamkeitsheischend zischende Maschinchen bekommt, schon bemerkenswert. Offensichtlich ist das aber nicht nur in unserer (guten) Beziehung so. Sämtliche Freundinnen und Bekannte berichten Ähnliches von ihren kaffeetrinkenden Partnern. Sind sie also wirklich ein Männerding, die Siebträger?

Der Feldversuch sagt Ja. Die Erklärung dazu hat „der Mann“ dann auch parat: Alle Jungs hätten gern eine Dampfmaschine. „Frau“ fragt sich: Warum? Weil es so archaisch ist? Ähnlich wie ein Gasherd, wie ein Grill? Willkommen bei den Klischees.

Ich persönlich glaube ja, dass es hier eher um ein Ritual geht. Denn inzwischen experimentiere ich selbst mit Mahlgrad, Filtergröße, Brühtemperatur und unterschiedlichen Espressi herum – ich sitze ja an der Quelle. Und ich muss sagen, es macht wirklich Spaß, herauszufinden, wie man Säure, Fruchtigkeit oder eher Schokonoten in ein Tässchen zaubert. Herrlich, wenn man die Bohnen frisch mahlt, besonders wenn man so verrückt ist wie ich und das mit der Handkaffeemühle macht. Dieser Kaffeeduft ist das Allergrößte. Und wenn dann „la Macchina“ morgens früh leise gurgelnd, murmelnd ihren Boiler anwirft, einen zur Geduld zwingt (schließlich dauert das Aufheizen eine Weile), um dann mit erheblichem Getöse (ich werde wach) mein Lebenselixier zu produzieren – großes Kino.

Inzwischen ertappe ich mich übrigens dabei, mit der „alten Dame“ zu sprechen, sie zu wienern, eine neue Knockbox für sie zu kaufen. Und einen besonders schicken Tamper. Und noch einen kleinen Pinsel für die Kaffeemehlreste. Klischee…?

PS: Unser Siebträger-Modell ist übrigens eine „Zweikreiser“-Espressomaschine. Das heißt, sie hat einen Kessel und zwei Wasserkreisläufe zum Brühen und Dampf-Herstellen – um die unterschiedlichen Wassertemperaturen gleichzeitig hinzubekommen und nicht mit dem Milchaufschäumen warten zu müssen. Ein Modell, das dank guter Pflege inzwischen fast 20 Jahre alt ist. Von wegen Nachhaltigkeit und so.

Wer darüber nachdenkt, sich ein solches Maschinchen zuzulegen, verschafft sich am besten erst mal einen Überblick über seine eigenen Wünsche, um den richtigen Maschinentyp für sich zu finden:

Du willst „nur“ Espresso kochen?

Dann ist ein „Einkreiser“ womöglich das richtige Einsteigermodell. Es hat, wie der Name sagt, nur einen Wasserkreis – sprich: Für Espresso und Dampf wird dieselbe Quelle genutzt. Willst du also ab und zu einen Cappuccino oder Flat White trinken, musst du die Temperatur des Dampfs anpassen.

Cappuccino, Flat White & Co. gehören zu deinen Lieblingen?

Beim „Zweikreiser“ gibt es dieses Problem nicht (s. o.). Lässt du allerdings die Maschine lange an, können sich die Temperaturen angleichen. Dieses Thema wiederum hast du nicht beim „Dualboiler“. Er hat einen Dampfkessel und einen Brühkessel und ist damit ein Alleskönner. Nicht gerade ein Einsteigermodell, sondern eher für die Profis unter den Home-Baristas.

Und dann gibt es noch den „Thermoblock“.

Im Prinzip funktioniert er wie ein Durchlauferhitzer, er hat also keinen Kessel und ist damit quasi sofort auf Betriebstemperatur. Und kann auch nicht verkalken. Die Nachteile dabei: Schwankt die Fließgeschwindigkeit durch die Dichte des Kaffeemehls im Träger (Puck) kann das Wasser zu kalt oder auch zu heiß sein (was scheußlich schmeckt). Und der Dampf ist oft auch wässriger.

So viel zu den Maschinentypen.

Wer mehr zu Mahlgrad, Wassertemperatur, Tigerstreifen-Crema & Co. wissen möchte: Stöbert gern mal in unserer Rubrik „Kaffeewissen“ herum.

Bleibt das Wichtigste: der Kaffee bzw. Espresso.

Für uns die Basis von allem: Er muss bio sein. Und Fairtrade-zertifiziert. Und er muss genau die richtige Balance zwischen komplexen Aromen und raffinierter Säure haben. Was nicht nur an der harmonischen Zusammenstellung der Bohnen und Sorten liegt. Die langsame (11–16 Minuten) und sanfte Veredlung im Trommelröster ist dafür mindestens genauso wichtig.

So ist unser klassischer Espresso ein Blend aus Papua-Neuguinea-, Peru- und Äthiopien-Arabicas – ganz weich und opulent mit eleganten Schokonoten. Unser Barista Espresso ist ein bisschen komplexer: ein Arabica-Robusta-Blend mit anspruchsvollen Nuss- und Kakaonoten. Und wenn man jetzt mit fein justiertem Mahlgrad und Brühtemperatur beginnt zu spielen, hat man definitiv großen Spaß damit.

Soweit die Fachsimpelei. Schreibt uns gern, was ihr von dem Siebträger-Hype haltet (Männerding – ja oder nein?) und wie ihr euren Lieblingsespresso zubereitet.