- Kaffeekochen
Was ist eigentlich normale Milch?
Als ich neulich einen Cappuccino im Café um die Ecke bestellte, fragte man mich: „Normale Milch oder Kuhmilch?“ Huch, ich dachte immer, die „normale“ Milch sei von der Kuh. Weit gefehlt, inzwischen ist das – zumindest in den hippen Cafés der Großstädte – die Hafermilch.
Barbara Beiertz
Der Milchersatz boomt.
Milch (also die von Kühen) steht aus vielerlei Gründen unter Beschuss: Die Kühe stoßen das klimaschädliche Treibhausgas Methan aus, der Land- und Wasserverbrauch für Futter ist deutlich höher als bei den pflanzlichen Alternativen. Die Haltung der Kühe ist oft mit Tierleid verbunden.* Und auch die gesundheitlichen Effekte der Kuhmilch werden kritischer betrachtet als zu Zeiten von „Die Milch macht’s“. (Folgt man der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, ist allerdings „ein moderater Milchkonsum (…) nach jetzigem Wissensstand weder überdurchschnittlich gesund noch schädlich, sondern neutral“.**)
Die Folge: Der Kuhmilch-Konsum in Deutschland sinkt. 2022 auf ein Rekordtief von 46,1kg pro Kopf.*** Was man dabei aber nicht vergessen sollte: Die deutsche Milchwirtschaft ist die größte der EU. Und gemessen am Umsatz sogar eine der größten Lebensmittelbranchen unseres Landes.** Kein Wunder also, dass 2023 der „Milchinitiative“ ein 4-Millionen-Etat zur Verfügung gestellt wurde, um die Kuhmilch wieder in die Köpfe und Bäuche der Deutschen zu bringen. Es ist also ein „Kulturkampf“ um die Milch entbrannt.****
Was ist denn nun die beste Milch?
Definiere „beste“. Die gesündeste? Oder die umweltfreundlichste? Oder die leckerste?
Fangen wir mal mit den Gesundheitsfaktoren an: Im Prinzip hat Kuhmilch eine größere Anzahl an Nährstoffen (Kohlenhydrate, Eiweiße und Fett), Vitaminen und Mineralstoffen, normalerweise auch in größeren Mengen. Darum reichern die Pflanzendrink-Hersteller ihre Produkte mit Zusätzen an. Sie versetzen sie aber auch mit Stabilisatoren, Emulgatoren und Säureregulatoren, um hinsichtlich der Konsistenz und Schaumfähigkeit an die Kuhmilch heranzukommen.***** Die wiederum enthält Laktose (Milchzucker), auf die einige Menschen allergisch reagieren.
Was, davon mal abgesehen, nun gesünder ist, Kuh- oder Pflanzenmilch, da tun sich die Experten schwer. Soja- und Erbsenmilch sind mit Kuhmilch hinsichtlich des Eiweißgehalts vergleichbar. Die anderen Pflanzendrinks liefern eher weniger Proteine, dafür mehr Kohlehydrate. Um hier wirklich eine Entscheidung treffen zu können, muss man sich die einzelnen Inhaltsstoffe genau anschauen. Eine ganz gute Tabelle dazu findet ihr hier: „Zahlen, Daten, Fakten zu Kuhmilch vs. Pflanzendrinks“.
Welche Milch ist am klimafreundlichsten?
Grundsätzlich ist die Ökobilanz aller Pflanzendrinks erst einmal besser als die der Kuhmilch –wegen des Methans. Aber: Wenn Soja nicht aus Europa kommt, sondern aus Brasilien, dann ist das ein absolutes No-Go, da dann ziemlich sicher ist, dass für den Anbau Regenwald abgeholzt wird. In der Regel kommt das Soja für die Sojamilch-Produkte bei uns aber aus Europa. Also achtet einfach auf die Herkunft.
Das gilt übrigens auch für Mandelmilch. Sie braucht ziemlich viel Wasser für den Anbau. Kalifornische Mandeln sind da also keine gute Wahl. Der hohe Wasserverbrauch beim Anbau ist auch ein wichtiges Argument gegen Reisdrinks, denn er ist im Vergleich zu allen anderen Milchvarianten (Kuhmilch eingeschlossen) am höchsten.
Die positivste Umweltbilanz haben Hafer- und Erbsenmilch. Nicht nur, weil der Landverbrauch bei ihrem Anbau am geringsten ist, auch weil beide Sorten wenig Wasser benötigen und lokal angepflanzt werden können. Erbsen sind dazu auch noch „Stickstoff-Sammler“, sie sorgen also dafür, dass Stickstoff aus der Luft im Boden angereichert wird und für sie und andere Pflanzen verfügbar ist. Kurz: keine künstlichen Stickstoff-Düngemittel. Außerdem kann man Erbsen- und Hafermilch auch ganz einfach selbst machen, was natürlich Verpackung usw. einspart (Rezept siehe Infokasten).
Bleibt der Geschmack: Welche Milch ist die leckerste?
Alle. Und keine. Geschmacklich sind die Pflanzendrinks nun mal keine Kuhmilch. Was am Verhältnis von Wasser und kleinsten Fett-Tröpfchen liegt. Je weniger solche Tröpfchen, desto wässriger und weniger milchig der Drink. Darum versucht man bei der Pflanzenmilch, mit zugesetzten Emulgatoren das Mundgefühl von Kuhmilch nachzuahmen.
Bleibt der Eigengeschmack der Pflanze. Ich persönlich bin ein absoluter Fan von Erbsenmilch. Weil sie relativ neutral ist und nicht wie Hafer- oder Mandel-Milch mit ihren Eigenheiten den Kaffee verändert. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich gut streiten.
Wie geht es euch? Welche Pflanzenmilch mögt ihr am liebsten in eurem Cappu? Bleibt ihr der Kuhmilch treu? Oder trinkt ihr ganz einfach „schwarz“? Schreibt uns doch mal in den Kommentaren.
Und dann wäre da noch das: Milch aus dem Bioreaktor.
Kein Scherz, die Methode heißt: Präzisionsfermentation. „Hierbei werden die Gensequenzen, die bei Kühen für die Produktion von Milchproteinen verantwortlich sind, gezielt ausgeschnitten und in bestimmte Hefen eingefügt. Anschließend werden dann keine Tiere mehr gefüttert, sondern die Mikroorganismen werden mit Stickstoff und Kohlenstoff versorgt. Zukünftig wäre hier sogar denkbar, Methanol als Kohlenstoffquelle zu verwenden. Dieser wiederum könnte aus klimaschädlichem CO2 gewonnen werden. Die Milch aus dem Bioreaktor hätte dann sogar einen doppelt positiven Klimaeffekt. Zum einen würden die tierischen Emissionen weitgehend vermieden. Zum anderen könnte sogar CO2 aus der Luft gebunden werden.“******
Klingt ein bisschen spooky. Aber wenn man weiß, dass global gesehen die Milchindustrie für 3,4% der Klimaemissionen****** verantwortlich ist – mehr als die CO2-Emissionen der Luft- und Schifffahrtsindustrie –, dann kommt einem das gar nicht mehr so verrückt vor.
DAS REZEPT FÜR ERBSENMILCH:
Zutaten:
- 120g gelbe Schälerbsen
- 1l Leitungswasser + Wasser zum Einweichen und Kochen
- Optional Süße nach Geschmack, zum Beispiel 2–3 Datteln
- 1 Prise Salz
- Optional 1TL Lecithin-Pulver (natürlicher Emulgator, aus dem Bioladen)
Erbsen mit kaltem Wasser bedecken, ca. 12 Stunden einweichen. Durch ein Sieb abgießen und mit frischem Wasser 30 Minuten kochen. Wieder durch das Sieb abgießen. Abkühlen lassen. Mit 1l Wasser aufgießen, optionale Zutaten zugeben, pürieren. Wer mag, kann die Erbsenmilch noch durch ein Mulltuch filtern – dann wird sie aber recht wässrig.
Das Rezept für die selbstgemachte Hafermilch haben wir schon früher vorgestellt, ihr findet es hier: „Time to say goodbye“.
Quellen:
www.quarks.de/gesundheit/ernaehrung/sind-milchalternativen-gesuender-und-umweltfreundlicher/
*Laut Bundesinformationszentrum leben rund 13 Prozent der Kühe in Anbindehaltung, mit einer Kette im Stall fixiert. Eine Haltungsform, deren Verbot diskutiert wird. 87 Prozent der Kühe leben in Laufstallhaltung. Knapp 31 Prozent haben Zugang zu einer Weide – vor zehn Jahren waren es noch 42 Prozent. (Quelle Zeit online.)
** www.zeit.de/zeit-magazin/2023-02/kuhmilch-gesundheit-milchprodukte-klima-debatte/komplettansicht
*** www.bmel-statistik.de/ernaehrung/versorgungsbilanzen/milch-und-milcherzeugnisse
**** www.cicero.de/kultur/kulturkampf-in-der-kaffeetasse-hafer-gut-milch-bose
*****Haferdrinks, die laut einer EU-Verordnung von 2013 wie alle anderen Ersatzprodukte nicht-tierischen Ursprungs nicht Milch genannt werden dürfen, basieren auf entspelzten und aufgeweichten Haferkörnern, die dann mit Wasser vermengt und gemahlen werden. Es folgen Fermentation, Homogenisierung und Filtration sowie bei der „Barista-Edition“ die Zugabe von Würzmitteln, Aromen, Pflanzenöl, Dikaliumphosphat, Calciumcarbonat, Vitaminen u.a.