Biodiversität? Interessiert doch nicht die Bohne.

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Barbara Beiertz

foto: eduardo gorghetto on unsplash

Als ich neulich mit dem Auto (was selten genug passiert) auf der Autobahn unterwegs war, konnte ich es tatsächlich sehen: Insekten auf der Windschutzscheibe? Fehlanzeige. Dabei kann ich mich noch gut daran erinnern, dass früher, wenn man mit den Eltern nach Dänemark & Co. in Urlaub fuhr, spätestens nach 200km die Scheibe dicht war. Und heute ist in Deutschland das (Flug-) Insektenaufkommen um ca. 75% (!) zurückgegangen. Was bisher niemanden so recht zu interessieren schien. Aber zumindest bei einigen Teilnehmern „der Wirtschaft“ kommt das Thema langsam an.

Eine Billion Dollar pro Jahr ist die Leistung von Insekten wert.

Wenn es nicht so traurig wäre, würde man darüber schmunzeln: Auf einmal sind Bienen & Co. nicht mehr ein belächeltes „Öko-Fuzzi-Müsli-Thema“, sondern eines für Investoren, Unternehmensberatungen, Finanzexperten. So schrieb eine der führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf ihrer Website kürzlich:

„Investoren erkennen zunehmend, dass der Verlust von Biodiversität mit erheblichen Kosten einhergeht. Einige der ,Ökosystem(dienst)leistungen‘ (engl. Ecosystem Services, kurz ESS) können Wissenschaftler quantifizieren. So erbringen Insekten, die weltweit drei Viertel aller Nutzpflanzen bestäuben, eine Leistung im Wert von 1 Billion US-Dollar pro Jahr. Unter dem Strich hängen 55 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung von funktionierenden Ökosystemen und den damit verbundenen ESS ab (≈ 42 Billionen US-Dollar). Entsprechend gilt die Gefahr des Verlusts von Biodiversität mittlerweile als drittgrößtes Risiko weltweit. (…)

Die Risiken, die durch einen Verlust von Biodiversität auf Unternehmen und Investoren zukommen, sind vielfältig – und schon heute sehr konkret. Dazu gehören Versicherungsrisiken, beispielsweise wenn der Verlust eines Ökosystems wie einer Küstenlandschaft dazu führt, dass ein natürlicher Puffer gegen Überflutungen entfällt und mögliche Schäden nicht mehr abgedeckt sind. Ein Versagen von Ökosystemen in großem Stil birgt außerdem erhebliche Marktrisiken. Die Übertragung von Krankheitserregern von Wildtieren zu Menschen als Folge von zerstörtem Lebensraum bietet ein Beispiel für Auswirkungen und Kosten. Der Verlust oder die Verknappung von natürlichen Rohstoffen können mit erheblichen Risiken für Investitionen einhergehen. Kredit- und Reputationsrisiken sind weitere Folgen.“*

Ok. Vielleicht kommt ja langsam in den Köpfen an, dass man Geld nicht essen kann. Und dass man sich am Ökosystem eben nicht jederzeit und for free bedienen kann.

Und jetzt?

Jedes Körnchen hilft.

Auf der Suche nach Lösungen ist der wohl wichtigste Schritt gleichzeitig der erste: Die Integration der Biodiversität in die Nachhaltigkeitsstrategie. Damit wird sichergestellt, dass ein Unternehmen Verantwortung hat und auch übernimmt (wenn auch „nur“ aus ureigenem Interesse). Das ist die Basis von allem. Und dann fängt man an zu suchen – nach den Ursachen für beispielsweise das Insektensterben:

Laut BUND** sind wesentliche Gründe:

  • die Verarmung der Landschaft durch die industrielle Landwirtschaft
  • Agrargifte wie u.a. Glyphosat
  • Überdüngung durch künstliche Dünger und Gülle
  • intensive Forstwirtschaft
  • Bodenversiegelung durch Siedlungsbau, Gewerbebau etc.
  • Lichtverschmutzung (Nachtbeleuchtung).


Außerdem:
Privatgärten, in denen allein in Deutschland pro Jahr 600 Tonnen Pestizide verteilt werden. Ein Feld, auf dem wir uns alle tummeln können und mit ein bisschen Mut zur Unordnung einiges bewirken.

Wer wissen möchte, wie das funktioniert, dem sei unser Artikel „Mut zur Unordnung“ empfohlen.

Und natürlich unsere Bienenweiden-Edition des Arabica Blends mit seinen opulenten Aromen. Es gibt ihn jetzt mit einem Bienenweiden-Samentütchen, damit ihr in eurer unmittelbaren Umgebung ganz aktiv für mehr Summen und Brummen sorgen könnt. Außerdem spenden wir für jede verkaufte Packung 50 Cent an die GLS Treuhand Zukunftsstiftung Landwirtschaft. So werden „zukunftsweisende Projekte für eine gentechnikfreie und ökologische Saatgutzüchtung“*** unterstützt – und eine blühende Zukunft für die Bienen. Das sind zwar absolut betrachtet „Peanuts“, aber (um im Bild zu bleiben), hier hilft jeder Fliegenschiss. Leider ist die Bienenweiden-Edition ausverkauft. Wir halten Euch über die Ergebnisse der Spendenaktion auf dem Laufenden.

Der größere Hebel.

In den Anfängen von Mount Hagen Mitte der 80er-Jahre haben wir grundsätzlich entschieden, unseren Kaffee nur biologisch oder biodynamisch anzubauen. Egal ob auf Papua Neuguinea. In Äthiopien. Oder in Peru, wo wir die Ausbreitung des Demeter-Anbaus aktiv mit Vorfinanzierungen unterstützen. Denn so können wir nicht nur für den Erhalt der Biodiversität sorgen. Der ökologische Anbau in sogenannten Kaffeegärten unter Schattenbäumen spart auch deutlich Wasser, baut die Böden mit ihrer Humusschicht auf, die wiederum dann als CO2-Speicher funktionieren (von den Pflanzen-Nährstoffen mal ganz abgesehen). Wie das geht, könnt ihr in einer Reihe von weiteren Beiträgen im Blog nachlesen, zum Beispiel im Artikel „Jedes Gramm Respekt“.

Übrigens: Eine Studie von Geografen des University Colleges London hat sogar errechnet, dass die (CO2-) Emissionen für Kaffeebohnen aus nachhaltigem Anbau bestenfalls nur ein Viertel der Emissionen dessen betragen, was bei konventionellem Anbau anfällt.****

Strategischer Konsum, die Macht der Verbraucher, ist lange unterschätzt worden – insbesondere von den Konsumenten selbst. Aber die gute Nachricht ist: Mit den ganz alltäglichen Einkäufen, den Entscheidungen für oder gegen Bio, Demeter, Fairtrade macht jeder Einzelne Politik. Nimmt Einfluss auf Unternehmen und sein Umfeld – auch wenn man sich selbst nicht als Öko-Missionar sieht. Muss man auch nicht. Denn allein das Erkennen, dass die berühmte Nachhaltigkeit eben nicht Verzicht bedeutet, sondern „nur“, bewusst andere Wege zu gehen, hilft schon.

Quellen:
*www.ey.com/de_de/decarbonization/der-einfluss-auf-artenvielfalt-und-oekosysteme-wird-teil-des-reportings
**Wer tiefer einsteigen möchte:
www.bund.net/themen/tiere-pflanzen/tiere/insekten/bedrohung/
***www.zukunftsstiftung-landwirtschaft.de
****rgs-ibg.onlinelibrary.wiley.com